Leaks: Was tun bei Verrätern im eigenen Haus?

Wenn Mitarbeiter geschäftliche Geheimnisse an die Öffentlichkeit weitergeben, kann das für das Unternehmen existenzgefährdend werden. Selbst, wenn die Leaks nichts Illegales enthüllen, wie das Beispiel der Neobank Radicant zeigt. Arbeitsrechtliche und organisatorische Massnahmen können helfen, das Risiko von Geheimnisverrat vorbeugend zu reduzieren und im akuten Fall schnell und effektiv reagieren zu können.

Von HANS KLAUS

Mitarbeiter haben die unterschiedlichsten Motive, Interna ihrer Arbeitgeber öffentlich zu machen, also Geschäftsgeheimnisse den Behörden, NGO oder den Medien zuzuspielen oder selbst zu veröffentlichen. Manchmal wollen sie damit wahrgenommene Missstände bekämpfen («Whistleblower») und sehen in diesem Vorgehen die einzige Möglichkeit. Nicht selten geht es aber auch um egoistische Interessen: Um Rache oder den Versuch, mit öffentlichem Druck bestimmte Entscheidungen zu erpressen. Für Unternehmen können derartige Leaks selbst, wenn sie nichts Illegales enthüllen, existenzgefährdend werden.

Radicant, die Neobank der Kantonalbank Basel-Land, litt seit ihrer Gründung 2021 unter massiven Leaks. Noch vor dem offiziellen Markteintritt bekamen die Medien vertrauliche, recht nachteilige Informationen aus dem Investitions- und Geschäftsplan zugespielt. Danach wurde CEO und Co-Gründer Anders Bally mit sofortiger Wirkung entlassen, weil seine interne Kritik an kantonalen Politikern öffentlich geworden war. Die Leaks setzen sich fort: Negative Interna über verfehlte Produktlancierungen und Geschäftsziele, zu den Boni der Kader und personellen Abgängen landeten fortlaufend in den Medien. Nach einer Wertberichtigung von 105,5 Mio. Fr. und dem Abgang diverser Top-Kader inklusive einem weiteren CEO soll Radicant nun verkauft werden oder die Banklizenz verlieren.

 

Eine der wichtigen Quellen für Journalisten

 

Die Regelmässigkeit und Detailtiefe der Leaks zu Radicant legt nahe: Jemand aus dem Umfeld der Eigentümer versuchte damit, das umstrittene Engagement – riskantes neues Geschäftsfeld, zudem ausserhalb des eigenen Kantons – zu stoppen. «Was als digitale Nachhaltigkeits-Bank mit Start-up-Flair begann, endet im grössten Reputationsschaden der BLKB seit Jahren», urteilte Finews. Nicht überraschend ist, dass die einschlägigen Blogs und auch seriöse Medien die vertraulichen Informationen veröffentlichten, die sie zudem selbst nicht überprüfen konnten. Insider-Informationen sind eine der wichtigsten Quellen für journalistische Primeurs und geniessen rechtlichen Schutz durch das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten (Artikel 28a StGB). Redaktionen müssen ihre Quelle nicht verraten, so bleibt der Verräter geschützt und häufig dauerhaft unerkannt.

Auch die üblichen Klauseln in Arbeitsverträgen und eigene Geheimhaltungsvereinbarungen («Non-Disclosure Agreements») verhindern Leaks nicht vollständig, wie die Erfahrung zeigt. Die Krisenkommunikation muss daher anderswo ansetzen. Sie beginnt vorbeugend mit der internen Kommunikation, dass die unzulässige Weitergabe geschäftlicher Interna verfolgt und gegebenenfalls rechtlich sanktioniert wird. Mitarbeiter, die ihrem Arbeitgeber aus egoistischen Motiven schaden, haben keinen Platz im Unternehmen mehr. Dieses Bewusstsein muss auf jeder Hierarchieebene immer wieder geschärft werden: Geheimnisverrat ist kein Kavaliersdelikt, sondern hat arbeits- und zivilrechtliche Konsequenzen. Dazu können Entlassung, Unterlassungs- und Herausgabeansprüche (z. B. von Datenträgern) und Schadensersatzforderungen gehören.

 

Unternehmens- und Marketingkommunikation trennen

 

Zwei organisatorischen Massnahmen senken das Risiko von Indiskretionen wesentlich: Die Zentralisierung der Unternehmenskommunikation (Corporate Communication) und die gleichzeitige personelle Trennung von der Marketingkommunikation. Damit werden heikle Informationen weniger Personen in der Organisation bekannt und gelangen erst nach offizieller Freigabe durch die Zentrale in die Tochter- und Verkaufsgesellschaften. Sind Leaks aufgetreten, lässt sich zudem die Quelle leichter zurückverfolgen. Interne Audits können helfen, kriminelle Aktivitäten (z. B. Diebstahl vertraulicher Unterlagen) aufzuklären. Ob man dem eine Strafanzeige folgen lässt, muss fallweise entschieden werden, denn das Verfahren würde wieder öffentlich stattfinden.

Nach aussen kann die Krisenkommunikation schädlichen Enthüllungen entgegentreten, indem sie diese als «keine offizielle Information», «nicht vollständig» bzw. als «nicht korrekt» einordnet. Wirkungsvoller noch ist es, eine – sachlich richtige – Gegenerzählung zu entwickeln, oft auch «Spin» oder «Narrativ» genannt. Sie kann die heiklen Informationen in einen grösseren Zusammenhang einordnen und im Sinne des Unternehmens erklären. Das ist kein Dementi; was einmal draussen ist, lässt sich nicht mehr zurückholen. Aber sie kann den medialen und öffentlichen Blick zurück auf das Gesamtbild lenken und dem Unternehmen helfen, sich die Informationshoheit zurückzuholen.