Wer echte Überzeugungen hat, muss sie nicht dauernd ändern

«Team Switzerland» bei US-Präsident Donald Trump. Zweiter von rechts: Alfred Gantner, Mitgründer und heutiges Verwaltungsratsmitglied der Partners Group.

Unternehmen sollen gesellschaftliche Verantwortung nehmen, agieren aus Angst vor medialer Kritik und Aktivisten aber typischerweise opportunistisch. Selbst gut gemeinte und erfolgreiche Aktionen können nämlich zu öffentlicher Ablehnung führen und damit der eigenen Reputation schaden. Wie man geschickt damit umgeht, zeigte Alfred Gantner von der Partners Group nach seiner Mission beim US-Präsidenten.

Von HANS KLAUS

Wenn wir ganz ehrlich sind, sind die erklärten «Überzeugungen und Werte» der meisten Unternehmen und ihrer Führungskräfte von Opportunismus geprägt. Man fordert und unterstützt, was aktuell als mehrheitsfähig und wenig angreifbar erscheint – und vermeidet, was mediale Kritik oder gar Boykottaufrufe von Aktivitäten hervorrufen könnte. Dreht sich der Meinungstrend, folgt man dem. Authentizität muss man sich leisten können, das gilt auch für angestellte Top-Manager. Gleichzeitig gibt es die ewige Sehnsucht danach: Nach echten Überzeugungen und persönlicher Standhaftigkeit über tagesaktuelle Beliebtheit (und damit Beliebigkeit) hinaus. Selbstständige Inhaber können hier wesentlich freier agieren.

Alfred Gantner, Mitgründer und heutiges Verwaltungsratsmitglied der Partners Group, führte das in diesen Tagen wieder eindrucksvoll vor. Schon in der Vergangenheit immer mit kantigen und nicht zwingend populären Überzeugungen – von Mormonen-Kirche bis EU-Kritik – vertreten, trat er als inoffizieller Verhandlungsführer für die Schweiz im Weissen Haus auf. Das Gesamtergebnis, geringere Einfuhrzölle für die Schweiz, wurde begrüsst, die Aktion mitsamt ihrer Details (z. B. Geschenke für US-Präsident Donald Trump) kritisiert. «Wegen Goldbarren und Rolex: Grüne und Juso zeigen Team Switzerland an», titelte der Tages-Anzeiger. «Die Mehrheit ist skeptisch, wenn wohlhabende Personen von aussen die Politik beeinflussen», vermeldete der Blick als Ergebnis seiner Leserumfrage. Gantner sei eine «Zumutung», meinte die NZZ, meinte das aber das wohl eher als Kompliment.

Was danach folgte, war eine geschickte Medienkampagne: Ausführliche Interviews mit Tages-Anzeiger und SRF, in denen Gantner sachlich Hergang und Details erklärte, seine Rolle relativierte und stattdessen die Führung des Bundesrates betonte. Den Vorwürfen stellte er seine Bewertung gegenüber, dass z. B. Geschenke bei diplomatischen Missionen nun einmal üblich seien und der Wert in Relation zum Verhandlungsvolumnen geringfügig war. Vertreter des Bundesrates äusserten sich ebenso, sodass tatsächlich der Eindruck eines «Teams Switzerland» zurückblieb. In der SRF Arena stellte sich Gantner dann auch noch einmal persönlich – und forderte einige Tage später im Zusammenhang mit der Juso-Initiative «höhere Steuern für Reiche». Die Medien hatten damit ein aufregendes neues Thema und verloren erkennbar ihr Interesse an der Trump-Mission.

 

Positionieren, um Verantwortung zu übernehmen

 

Dass sich Unternehmen zu politischen, gesellschaftlichen und ideologischen Fragen positionieren sollen, war einer der grossen Kommunikationstrends der letzten Jahre und wurde als ein Weg gesehen, «Verantwortung zu übernehmen». Heikel war eine einseitige Positionierung immer, sowohl in den pluralistischen, schnelllebigen Gesellschaften des Westens – inklusive Schweiz – wie in einer zwar wirtschaftlich und teilweise kulturell, aber nicht wertemässig globalisierten Welt. Klassisches Beispiel: Mit dem Regenbogen-Logo sicherten sich Unternehmen im Westen risikolos Gratisbeifall – und verzichten parallel im Nahen Osten und in Asien darauf, weil dort Kritik oder ernstere Konsequenzen gedroht hätten. Auch der aktuelle breite Ausstieg aus den inzwischen unpopulären ESG- und DEI-Themen zeigt. dass vielerorts keine echten Überzeugungen dahinterstanden.

Alfred Gantner hat hier einerseits die persönliche Freiheit eines Multimilliardärs und Mitinhabers eines aussergewöhnlich erfolgreichen Unternehmens, andererseits aber auch den damit verbundenen Geltungs- und Mitteilungsdrang (gar nicht so unähnlich zu Trump). Die Aktion hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Sie hat ein wichtiges Ziel erreicht, aber auch das Vorurteil bestärkt, die Schweiz wäre eine Art grösseres Monaco, in das man sich mit genug Geld einkaufen kann und Rolex und Goldbarren über den Schreibtisch gereicht werden, wenn eine Genehmigung fehlt. Gantner hat sie nicht geschadet, dem Bundesrat dagegen schon. Er wirkte wie eine Gruppe Leichtgewichte, die nur noch offiziell bestätigen konnte, was die «Big Boys» unter sich ausgehandelt hatten.

Generell sind Unternehmen gut beraten, wenn sie öffentlich erklärte Überzeugungen und Werte möglichst nah am Unternehmenszweck halten und langfristig ausrichten, um nicht immer mit dem Zeitgeist wechseln zu müssen. Beispiele: Ein Outdoor-Ausstatter, der sich für Naturschutz einsetzt; ein Industrieunternehmen, das technische Karrieren von Frauen fördert. Das erlaubt authentisches Argumentieren, verschafft Glaubwürdigkeit und auch die Standhaftigkeit, die es bei Kritik braucht. Zudem entzieht man sich damit dem Verdacht, nur aus Opportunismus heute für etwas zu sein und morgen schon nicht mehr.  Daneben hat die Rollentrennung zwischen Unternehmen und Staat, aber auch zwischen Unternehmen und Aktivisten ihren Sinn: Jeder hat seine Aufgaben, die sich von denen der anderen abgrenzen – und nicht selten ist man auch komplementärer Gegenspieler, wie es zu unserer Demokratie mit ihrer Gewaltenteilung gehört.