«Kommunikation der Reisebranche hat Reputationsschaden hinterlassen»

Hans Klaus, der frühere Informationschef von Alt-Bundesrätin Ruth Metzler und Swissair-Sprecher im Interview über Krisenkommunikation in Corona-Zeiten.

Hans Klaus (54), Gründer des Kommunikationsberatungs-unternehmen KMES Partner, Eidg. dipl. Textilkaufmann, danach eidg. dipl. PR-Berater. So beginnt die, wie er selber sagt, etwas exotische Laufbahn von Hans Klaus. Es folgte die Zürcher Börse. Er hatte mit Swissair Namenaktien zu tun, was dazu führte, dass der damalige Finanzchef der Swissair ihm eine Stelle bei der Airline anbot – als Kommunikations- und Marketingverantwortlicher im Informatikdepartement. Dort half er mit, Atraxis aufzubauen. Als Beatrice Tschanz Kommunikations-Chefin der Swissair wurde, holte sie Hans Klaus in ihr Team als Swissair-Sprecher. Er war beim Absturz von SR 111 in Halifax ab dem ersten Tag in Kanada und damit zum ersten Mal mit einer richtig grossen Krise konfrontiert. Seine nächste Station: Informationschef von Bundesrätin Ruth Metzler im EJPD. Nach deren Abwahl landete er bei Japan Tobacco in Genf und anschliessend bei der FIFA, dem dunklen Machtzirkel des Fussballs, wie er sagt. Aber er und Sepp Blatter hatten selten dieselben Ansichten, was später zu seiner Entlassung führte. Mit Ruth Metzler und Daniel Eckmann gründete er daraufhin die Kommunikationsberatung KMES Partner in Zürich, die schwergewichtig auf Krisenbewältigung spezialisiert ist. 

Hans Klaus, Swissair und die Schweiz. Da gibt es zwei Ereignisse, die das Land erschüttert haben: Das Grounding und der Absturz in Halifax. Halifax haben Sie hautnah miterlebt. Für die Krisenbewältigung hat die Swissair Führung damals gute Noten erhalten.

Es war eine Mischung aus Können und Disziplin. Das Team war gut gerüstet und professionell. Die militärische Vergangenheit von CEO Philipp Bruggisser und Oberst im Generalstab sowie von Beat Schär, Leiter des Krisenstabs und ehemaliger Kommandant des Überwachungsgeschwaders, waren gute Grundlagen für die Krisenbewältigung.

In Kombination mit der zu dieser Zeit besten Kommunikationschefin der Schweiz, Beatrice Tschanz, war das eine hervorragende Führungscrew. Sie wussten, dass es in der Krise spezielle Strukturen braucht und eine klare Führung im Gesamten. Auch die militärische Führungserfahrung war ein grosser Vorteil.

Dazu kommt sicher auch, dass es bei der Swissair immer wieder Krisenübungen gab, bei denen zahlreiche Schwächen aufgedeckt worden sind – mit entsprechendem Lerneffekt. Auch hat die Kommunikation gut funktioniert.

Wichtig war auch, dass sich die Kommunikation gegenüber der Rechtsabteilung behaupten konnte. Das war eine grosse Leistung von Beatrice Tschanz. Die Rechtsabteilung wollte nicht, dass man den Hinterbliebenen sofort 40’000 Dollar à-fonds-perdu zur Linderung der ersten Not bezahlte. Die Juristen hatten sich mit Hellebarden dagegen gewehrt. Da muss man auch Philipp Bruggisser ein Kränzchen winden, dass er das hatte stehen lassen. Für viele Angehörige der Opfer war diese finanzielle Überbrückung existenziell. Der gesunde Menschenverstand hatte gesiegt.

Wenn die Juristen die Macht übernehmen, scheint der gesunde Menschenverstand keine grossen Chancen mehr zu haben.

Das ist eine etwas zugespitzte Aussage, aber es geht leider immer mehr in diese Richtung. Heute hast du das Recht, das über allem steht. Bei falschem Verhalten riskiert man langjährige gerichtliche Auseinandersetzungen oder finanzielle Forderungen mit enormen Beträgen. Man denkt nicht mehr, was kann helfen, wo sind wirklich die Bedürfnisse, wer leidet denn unter der Krise.

In der ersten Phase von Covid-19 ist das vom Bundesrat exzellent gelöst worden. Später war’s dann leider nicht mehr so gut. Eine Krise ist eben kein Geschäftsmodell, wo man Strategien einfach durchziehen kann. Eine Krise ist etwas, wo sich die Lage ständig verändert. Da braucht es die Fähigkeit, faktenbezogene Lagebeurteilungen durchzuführen. Dies können leider nur sehr wenige.

Wenn zum Beispiel die Exponenten von Gastro Suisse ständig in die Mikrofone bellen und Forderungen stellen, dann war das in der Corona-Krise kontraproduktiv. Auch viele andere kleine Unternehmen mussten leiden, nicht nur die Gastro Branche. Der Verband hat durch seine mediale Dauerlautstärke viel an Goodwill bei der Bevölkerung eingebüsst.

Beim Tourismus ist relativ viel Geld geflossen, verglichen mit der Gastrobranche. In der Tourismusbranche war anfänglich ziemlich viel Feuer im Dach. Der damalige Präsident des Schweizerischen Reiseverbandes sagte nachträglich, dass der grösste Fehler die ungenügende Kommunikation gewesen sei.

Ja, gut zu kommunizieren in der Krise ist eine Herausforderung. Wir leben in einem Land, wo der Föderalismus fast ad Absurdum geführt wird. Wenn der eine Kanton so kommuniziert, der andere anders und der Dritte wiederum anders dann sorgt das für Unverständnis bei den Menschen. Die Kommunikation in der Pandemie war und ist ein Schwachpunkt.

In einer echten Krise lassen sich aber viele Entwicklungen nicht einfach voraussehen. Was sind denn die wichtigsten Faktoren für eine gute Kommunikation in Krisensituationen, in welchen man sich immer wieder auf unerwartete Entwicklungen einstellen muss?

Das wichtigste Element ist das Team. Einzelne Personen können nicht über die gesamte Krise hinweg ausgeglichen professionell kommunizieren, sie sind schnell ausgepowert. Ein gutes Team wiederum braucht eine souveräne Führung und eine der Situation angepasste Organisation der Kommunikation.

Viele Unternehmen und Organisationen meinen, dass sie eine Krise ohne externe Hilfe meistern können. Diese Sicht führt bereits mittelfristig zu einem unprofessionellen Kommunikationsverhalten. Es ist evident, sich in der Krise mit aussenstehenden Spezialisten zu ergänzen. Es sind diese, die einen Aussenblick und somit neue Lösungen einbringen können. Professionelle Krisenkommunikation heisst auch schnell zu kommunizieren, immer wieder zu kommunizieren und eine hohe Fehlertoleranz zuzulassen.

Permanente und schnelle Kommunikation schafft Vertrauen. Wenn einmal ein Fehler passiert, dann muss man sich hinstellen und diesen rasch korrigieren. Das ist besser, als lange mit Informationen zuzuwarten.

Wie sieht ein modernes Krisenmanagement konkret aus?

Ein professionelles Krisenmanagement basiert auf drei Säulen:
1. Säule: Die CARE Massnahmen. Es geht darum die Not der Betroffenen, der Opfer und der Bevölkerung schnell und unbürokratisch zu lindern. Betroffene müssen Gewissheit haben was zu tun ist, wo und von wem sie Hilfe erhalten und sich informieren können.
2. Säule: Die Ursachenforschung. Eine systematische Analyse der Situation und der Ursachen der Krise muss aufgrund einer einheitlichen Daten- und Faktenbasis geschehen. Eventuell braucht es dann Sofortmassnahmen, um die Risiken einzudämmen. Bei Corona wäre dies beispielsweise ein Lockdown, oder nachfolgend eine Impfkampagne.
3. Säule: Die Kommunikation. Schnelle, ehrliche und faktenbasierte Kommunikation hilft chaotische Zustände in der Krise zu vermeiden. Die Kommunikation darf nie abreissen und muss einheitlich sein. Die Menschen benötigen viel und permanente Information in einer Krise. Diese drei Elemente bilden die tragenden Säulen für ein stabiles Krisenmanagement. Werden diese drei Gebiete professionell und verhältnismässig bearbeitet, besteht die Chance, gestärkt aus einer Krise zu kommen.

Wenn ich das richtig interpretiere, dann bräuchte es einen Krisenstab auf der Ebene des Bundes der seine Verbindungen in die Kantone hat?

Politisch betrachtet trifft das sicher zu. Die Pandemie hat die Schwächen des Krisenmanagements beim Staat schonungslos aufgedeckt. Die Verwaltung und die Exekutive waren von aussen her betrachtet nicht gut auf eine solche Krise vorbereitet. Es fehlte an klaren Strukturen für das Krisenmanagement und insbesondere an einer zielgruppen-gerechten Kommunikation.

Es ist bis heute nicht plausibel auf welcher Datengrundlage der Staat seine Massnahmen jeweils beschlossen hat. War es aufgrund der Aussagen der Covid-Taskforce, der Virologen aus Lausanne, Genf oder Zürich? Oder waren es primär politische Entscheidungen?

In der Krise braucht es eine einheitliche Datengrundlage. Diese muss transparent und für alle zugänglich sein. Die Kantone müssten in solchen Krisen enger und aufgrund der Faktenlage einheitlich geführt werden. Die föderale Kakophonie – insbesondere in der Kommunikation – hat die Bevölkerung jeweils sehr verunsichert. Der Bund, die Kantone und die Verwaltung haben in dieser Pandemie nachhaltig an Glaubwürdigkeit eingebüsst.

Dazu bräuchte es aber einen Oberkrisenmanager, der definiert sein muss, bevor es die Krise überhaupt gibt. Eine Art General. Ist das im schweizerischen Selbstverständnis überhaupt machbar?

Warum nicht? Sie benützen den Begriff General. Gerade bei den Militärs wäre ein Top-Krisenmanager durchaus zu finden gewesen. Militärische Profis sind geübt in der Analyse der Lage, denken in Szenarien, Risikokategorien und sind trainiert, schnell und ressourcenorientiert Entscheidungsgrundlagen zu erarbeiten. Man hätte hier einen Generalstabschef a.D. für die Leitung des Krisenteams einsetzen können. Eine solche Lösung wäre auch für den Bundesrat von Vorteil gewesen.

In einer Krise sollte der Chef nicht auch noch Chef des Krisenteams sein. Man benötigt eine unabhängige, manchmal auch unbequeme Führung für die Krisenorganisation, welche die Fakten zusammenträgt, Entscheidungsgrundlagen erarbeitet und dem Bundesrat entsprechende Lösungsvorschläge unterbreitet. Der Bundesrat selbst hat sonst nicht die notwendige Distanz zum Geschehen. Schliesslich soll er auch während einer Krise das Land mitregieren und die Gesamtsicht nicht verlieren.

Das ist einleuchtend, doch warum gibt es diese Form der Organisation beim Staat nicht?

Im Grunde genommen hat der Bund diverse Krisenstäbe für die verschiedensten Ereignisse wie z.B. Entführungen, Terroranschläge, Naturkatastrophen, etc.. Doch leider setzt er diese nicht ernsthaft ein, wie wir in der Corona-Krise feststellen mussten. Bundesämter wie z.B. das BAG sind nicht für ein aktives Krisenmanagement ausgelegt. Ämter sind Verwaltungsorganisationen. Sie verwalten, wie es der Name sagt, die Geschäfte und Gesetzte unseres Staates. Für das Krisenmanagement sind sie denkbar ungeeignet, da es nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehört, echte Krisen zu managen.

Um eine Krise zu meistern, braucht es eine eigens dafür ausgelegte Organisation, zusammengesetzt aus internen und externen Fachleuten. Diese müssen krisenerprobt sein, d.h. man muss die Teams punkto Krise immer wieder trainieren. Als Vorbild in Sachen Krisenmanagement gelten viele Airlines. Sie trainieren potenzielle Krisen periodisch mit spezifischen Krisenteams. Bund und Kantone könnten von diesen meist global agierenden Gesellschaften lernen.

Die Airlines sind zwar krisenerprobt aber die Kommunikation, speziell die Rückzahlung der Kundengelder war auch nicht gerade ein Ruhmesblatt.

In Krisen tauchen auch längst bekannte Schwachpunkte auf, welche man eigentlich hätte voraussehen oder bereits lösen können. Auch die Airlines sind an ihre Grenzen gestossen, weil es nicht ein einzelnes Ereignis, wie z.B. ein Unglück, betraf, sondern das ganze Geschäftssystem der Reisebranche stiess an seine Grenzen. Die zögerliche und intransparente Kommunikation gegenüber den Kunden hat bei der Branche einen Reputationsschaden hinterlassen.

Die Reise- und Tourismusbranche tut gut daran, dieses Vertrauen möglichst schnell wieder aufzubauen. Gut möglich, dass es auch aus gesetzgeberischer Sicht eine Änderung der Regularien braucht. So wie beispielsweise die Banken zu einem Eigenkapitalpolster verpflichtet sind, müssten auch die Airlines in diese Richtung Verpflichtungen eingehen. Es ist wichtig, dass ein solcher Vorstoss von der Branche selbst kommt, um wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

In einer Krise kann man nie richtig in die Zukunft schauen. Man denkt, jetzt haben wir es geschafft und dann kommt eine neue Variante, die alles wieder über den Haufen wirft. Dann muss man auch zugeben, dass man falsche Entscheidungen getroffen hat.

Das ist absolut zutreffend. Es gehört zur Charakteristik von Krisen, dass immer wieder neue Wendungen und Probleme auftauchen. Sie hat gefühlt auch kein Ende, der Schrecken hört einfach nicht auf. Es passieren Fehler. Die Fehlertoleranz gehört deshalb zu einem modernen Krisenmanagement. Diese muss von der Kommunikation allerdings stets gut – und vor allem transparent – erklärt werden.

Dieser Punkt fällt gerade den operativ Verantwortlichen von vielen Unternehmen, auch den Verantwortlichen des Staates, meistens schwer. Sie haben Angst, Fehler zu begehen, haben Angst vor den politischen Folgen oder fürchten um ihre Reputation. Deshalb braucht es ein Krisenmanagement, welches nicht von denselben Chefs wie das operative Geschäft geführt wird. Diese Entkoppelung hilft am Ende den Verantwortlichen, gegebenenfalls auch unpopuläre Entscheide zu fällen.

Die Krisenorganisation bereitet die Massnahmen und die Kommunikation vor. Danach haben Bund und die Kantone das letzte Wort. Sie müssen aufgrund der Empfehlungen der Krisenorganisation entscheiden.

Dann kann man das Fehlen einer echten Krisenorganisation auch daran festmachen, wie die Ein- und Ausreisebestimmungen, unter denen auch die Reisebranche sehr gelitten hat, gehandhabt worden sind?

Die Einheitlichkeit oder die Klarheit in der Kommunikation hat eindeutig gefehlt. Die Leute sind schon bereit, sich darauf einzustellen, dass es innerhalb kurzer Zeit und einer sich veränderten Lage neue Bestimmungen geben kann, sie von heute auf morgen ein Zertifikat oder einen PCR-Test brauchen, um wieder einreisen zu können.

Wenn man den Menschen jedoch nicht ganz genau erklärt, warum das so ist, dann schwindet das Verständnis und es macht sich Ärger breit. Wenn wir auf der Webseite des BAG die Lesebrille hervor nehmen und uns eine Stunde Zeit nehmen müssen, bis wir wissen, was für uns aktuell für eine Reise gültig ist, dann geht das einfach nicht. Es entspricht in keiner Weise unserer digitalen Gesellschaft. In rund 15 Minuten können wir einen Tesla im Internet kaufen kann, mit allen Details wohlgemerkt.

Um zum Beispiel die Reisebestimmungen für eine Reise nach Sizilien zu finden, benötigen wir dann aber über eine halbe Stunde und müssen uns noch bei weiteren Personen vergewissern, ob wir die Bestimmungen richtig verstanden haben: Pardon, das ist Mitte letztes Jahrhundert!

Kommunikativ interessant ist der Entscheid, wie lange die Zertifikate gültig sein sollen. Anstatt 12 nur noch 9 Monate. Ein Aufschrei ging durch den Blätterwald. Doch der Bund meint dazu, dass man das rechtzeitig kommuniziert habe.

Das stimmt natürlich – aus Sicht des Bundes. Nur wurde der Entscheid inhaltlich nicht plausibel für uns Bürger kommuniziert. Man muss den Menschen besser erklären, warum man die Zertifikatsdauer verkürzt und aufgrund welcher Grundlagen dieser Entscheid gefallen ist. Es ist ein typisches Beispiel für die Krisenkommunikation der Behörden in dieser Krise.

Viele gescheite Menschen haben sich ganz viele Überlegungen gemacht. An die Kommunikation hat man aber erst dann gedacht, als man den Entscheid gefällt hatte. Das geht in der heutigen multimedialen und digitalen Welt nicht mehr. Das Sensorium diesbezüglich hat klar gefehlt.

Leider kein Einzelfall von missglückter Kommunikation

Nehmen wir das Beispiel der Masken. Ein Vertreter des BAG stellte anfänglich die Wirksamkeit der Masken öffentlich in Frage. Das war unüberlegt, weil es zu so einer Aussage eine fachlich haltbare Grundlage braucht. Die war weder vorhanden, noch waren die Konsequenzen für uns ängstliche Bürgerinnen und Bürger mit einberechnet worden. In der Folge wurde das Maskentragen von vielen Menschen in der Schweiz in Zweifel gezogen.

Klar, das BAG hat diese Aussage später korrigiert, doch der Schaden war angerichtet und die Glaubwürdigkeit der Behörden nahm einen Schaden, der bis heute andauert. Wir tragen heute noch Masken und viele von uns werden diese auch künftig weiter tragen, aus Gründen der persönlichen gesundheitlichen Sicherheit.

Sie sprechen von Daniel Koch, dieser hatte in der Bevölkerung eine hohe Glaubwürdigkeit als Mr. Covid.

Vielleicht zu Beginn, ja. Dann hat er diese Glaubwürdigkeit jedoch selbst in der Aare versenkt. Womit wir wieder bei einem zentralen Punkt des Krisenmanagements angekommen sind. Krisenteams müssen vor einer Krise zusammengestellt und trainiert werden. Im Krisenfall werden sie mit kompetenten externen Spezialisten ergänzt. Herr Koch hatte die Gabe, seine Botschaften medial gut vermitteln zu können. Inhaltlich waren sie jedoch oft widersprüchlich.

Im Gesundheitsministerium hat man darauf reagiert und dann leider auch über reagiert. Bald schon wurde er ersetzt und fortan sah man fast ausschliesslich noch den Gesundheitsminister vor den Medien, quasi als Mediensprecher für das federführende Departement. Persönlich halte ich das für keine gute Idee. Die mediale Überpräsenz des Bundesrates in der Pandemie wird sich langfristig eher negativ auswirken. Der Bundesrat muss auch die finale Eskalationsstufe bei Problemen sein können. In einer Krise gehören Fachleute und Spezialisten vor die Mikrofone.

Aber er muss für die Öffentlichkeit doch auch sichtbar sein?

Selbstverständlich, aber nur bei wirklich richtungsweisenden Entscheidungen, wie beispielsweise einem Lockdown, der zu einem Aufschrei in der Bevölkerung führen kann. In solchen Situationen muss der Chef selbst hinstehen. Oder eben der «General», also der Krisenchef, der in solchen Krisen eine wichtige Person wäre.

Ich habe wenig Verständnis dafür, dass unsere Landesregierung kein spezifisches Krisenmanagement installiert hat. Sie sagen natürlich, das hätten sie schon, aber das war einzig ein verwaltungszentriertes Krisenmanagement. Nach der ersten Phase, welche gut gemeistert wurde, hätten sie merken müssen, dass sie ein umfassendes Krisenmanagement für die Schweiz gebraucht hätten. Da wurde eine grosse Chance verpasst. Nicht, dass danach die Massnahmen grundsätzlich anders entschieden worden wären, aber wir Schweizer*innen hätten das bessere Verständnis für die getroffenen Massnahmen aufbringen können. Auch Restriktionen für die Industrie und das Gewerbe wären lösungsorientierter ausgefallen.

Es wird notwendig sein, das Krisenmanagement in Politik und Wirtschaft gründlich aufzuarbeiten. Sollte es zu wieder zu ähnlichen Krisen kommen und wir verbessern uns nicht deutlich, dann droht eine partielle Obstruktion gegen dann notwendige Massnahmen.

Krisen sind normalerweise nicht von einem Tag auf den andern zu Ende.

Eine zwingende Aufgabe von Krisenorganisationen ist, dass sie die Zeit nach der eigentlichen Krise gut vorbereiten. In der Airline-Industrie nennt man diese Phase «Post Emergency Phase». Dabei gilt es Restanzen gewissenhaft abzuarbeiten und Verbesserungen im Management der Krise durchzusetzen.

Gerade im Sektor Tourismus und Reiseindustrie wird dies nach der Covid-Krise sehr wichtig sein. Doch nicht nur dort. Auch der Staat, die Kantone, die Wirtschaftsverbände, sollten sehr schnell mit einer kritischen Aufarbeitung beginnen. Die nächste Krise kommt bestimmt, vielleicht schneller als uns lieb ist.

 

(Interview: Kurt Schaad)