Es braucht mehr Professionalität und weniger Palaver

Das Corona-Krisenmanagement gehört in die Hände eines professionellen Krisenteams mit entsprechenden Kompetenzen – die Regierungen von Bund und Kantonen sollen das Gremium überwachen und sich um die Führung des Landes als Ganzes kümmern

Nun ist es also wieder einmal soweit: Die Schweiz steckt mitten in einer «Lockdown-Diskussion». Unvermeidbar, wenn man die letzten Wochen und Monate analysiert. Die insbesondere politisch geprägte Kakophonie zwischen Bund und Kantonen verhindert ein adäquates Krisenmanagement. Alleine schon die endlose Diskussion darüber lähmt die Wirtschaft und kostet soviel Geld, dass einem schwindlig wird. Alles das ist nicht gut für’s Krisenmanagement. Und dies ausgerechnet vor Weihnachten und vor dem Jahreswechsel. Die Schweiz versinkt im Palaver.


"Sind die getroffenen Massnahmen nicht plausibel, wird deren Akzeptanz automatisch sinken. Dieser Prozess ist leider schon weit fortgeschritten."


Während die Zahl der Infizierten wieder steigt, Spitäler immer näher an ihre Grenzen stossen, die Corona-Taskforce warnt und warnt, unsere Nachbarländer schon rigoros einschneidende Massnahmen beschlossen haben, wägen unsere Regierungen in den Kantonen und beim Bund ab. Wir sollen uns gedulden. Das ist eine schlechte Entwicklung mit der Gefahr, dass uns die Kontrolle in der Krisensituation schleichend und kaum mehr korrigierbar entgleitet. Der Bundesrat, der noch vor Monaten mit Mut und Entschlossenheit die Pandemie bekämpfte, riskiert seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zu viele Medienkonferenzen und Interviews mit zu wenig Konkretem prägen aktuell das Krisenmanagement und nagen an der Plausibilität der Kommunikation des Bundes. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger kommt so schnell die Frage auf, hat dieser Bundesrat, haben diese Kantonsregierungen das Management der Krise noch im Griff?

Krisen zu managen ist ein Vollzeit-Job

Um Krisensituationen erfolgreich meistern zu können, braucht es einen Vollzeit-Krisenmanager. Diese Frau oder dieser Mann muss die notwendigen Kompetenzen, ein erfahrenes Team und den ausschliesslichen Fokus für das Abarbeiten aller Krisen-Topics erhalten. Dass die Chefs, in unserem Falle der Bundesrat oder die Regierungsräte, selbst zu Krisenmanager/Innen mutiert sind, ist ungut. Grosse private Unternehmen und staatliche Stellen haben es schon mehrmals vorgemacht – ob beim Swissair-Absturz von Halifax, bei 9/11 oder bei schweren Umweltkatastrophen. Eine Krise muss durch einen Vollzeit-Krisenmanager geführt werden. Der oberste Chef kann in einer Krise über längere Zeit hinweg nicht auch noch das Management in der Krise führen. Er führt das Unternehmen/Staat als Ganzes auch während der Krise und darüber hinaus mit dem Ziel der Kontinuität. Und genau an solcher mangelt es derzeit bei der Pandemie-Bekämpfung in der Schweiz.


"Die erfolgreiche Bewältigung des Swissair Flugzeug-Absturzes SR 111 in Halifax war nur möglich, weil ein professionelles Krisenteam die Führung übernommen hatte."


Warum? Krisen weisen immer wieder dieselben Charakteristiken auf: Sie dauern viel länger als erwartet, sie haben ein hohes Mass an Eigendynamik, sie verursachen auch dort Schäden, wo man diese nie vermutet hätte, sie benötigen Ressourcen ohne Ende, und um sie zu überwinden, braucht es Fokussierung und ein gerütteltes Mass an Kompromisslosigkeit. Der Bundesrat als oberstes Führungsgremium der Schweiz ist für eine solche Arbeit auf die Dauer nicht die beste Wahl. Er sollte das Managen der Krise delegieren, die Krisenarbeit als Gremium überwachen und sich um die Führung des Landes kümmern können.

Weder nüchtern noch unerschrocken

Das Managen und Abarbeiten der Krisenthemen muss daher auch in der Schweiz im Corona-Winter 2020 einem erfahrenen Team überlassen werden. Dieses bereitet die Entscheidungen vor und empfiehlt alle notwendigen Massnahmen so, dass der Regierung Zeit bleibt, diese zu beurteilen und schnell Entscheidungen herbeizuführen. Derzeit fehlt es – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – an Nüchternheit in der Analyse, an Unerschrockenheit bei Entscheidungen und an Unabhängigkeit gegenüber den Anspruchsgruppen. Und zwar auf allen Staatsebenen.

Eine von der Exekutive eingesetzte Krisenmanagerin oder ein Krisenmanager, begleitet von einem Team aus hervorragenden Fachleuten, mit klar definierten Aufgaben und den notwendigen Kompetenzen würde mit Sicherheit dazu beitragen, Abhilfe im besorgniserregenden «Wer-kann-besser-Corona»-Wirrwarr zu schaffen.

 

Hans Klaus (54)
Leitender Partner von KMES Partner, Zürich – ehemaliger Informationschef EJPD, heute Berater für Krisen und ausserordentliche unternehmerische Situationen