Wahlkampfkommunikation im Wandel I.

Plakatkampagnen im Jahre 2019

Die Tagesschau fragte am 20. August, ob das Wahlplakat in den nationalen Parlamentswahlen bald ausgedient habe. Erstmals wird das traditionelle Wahlkampfinstrument nicht von allen Parteien eingesetzt. Die CVP und die Grünen verzichten dieses Jahr auf eine Plakatkampagne, sie nutzen ausschliesslich soziale Medien. Befindet sich das traditionelle Wahlplakat in einer Krise?

Gemäss Kampagnenspezialist Mark Balsiger sind Wahlplakate beliebt wie noch nie. Die Nachfrage stieg in den letzten 10 Jahren um rund 25%. BDP, SVP, FDP und SP setzen auch dieses Jahr auf den Klassiker aus der Wahlwerbung. Besonders die SP bleibt dem Printmedium mit einer Investition von CHF 300'000 in ihre nationale Plakatkampagne treu. SP-Parteipräsident Christian Levret erläutert in der Tagesschau, sie setzen in ihrer Werbung auf den Moment, wo Menschen vom Handybildschirm hochschauen. Auch die Digitalisierung der Grünen und der CVP muss relativiert werden, sie lassen kantonale Parteien noch immer mit eigenen Plakaten werben.

Aber gerade für kleinere Parteien mit geringerem Budget, wie die GLP, bedeutet der Fokus auf soziale Medien und Bildschirme in öffentlichen Räumen einen gezielteren Einsatz ihrer Ressourcen. Aus Sicht der Kommunikation ist Social Media griffiger, besonders um die Generation abzuholen, welche man sonst schon an der Urne vermisst.

Ein überzeugender Einsatz virtueller Medien gelingt ausgerechnet der FDP. Als Teil der bürgerlichen Mehrheit tut sie sich schwer, scharfe Forderungen an die Regierung zu formulieren. Der provokative Slogan «F*** de Planwirtschaft» sorgte nach dem markanten Sitzverlust im letzten Wahlgang für einen für die FDP untypischen Knalleffekt. Mit dem Werbevideo kontern sie selbstironisch auf die Kritik von Satiriker Michael Elsener. Dieser bezeichnete sie bei einem Auftritt im letzten Herbst mit «F*** de Planet» als umweltunfreundlich. Damit erreicht die FDP eines der obersten Ziele jedes Wahlplakats: Die Regierung der Newsspalten. Man spricht darüber. Auch Bundesrat Ignazio Cassis, der das Video lobte.

Für die Kommunikation während den Wahlen eignen sich folglich auch Instrumente über das Printmedium hinaus. Dies beweist nicht zuletzt Andri Silberschmidt mit seiner Social-Media-Kampagne. Während fünf FDP Nationalräte ihren Wahlkampf weiterhin auf konventionelle Art bestreiten, geht ihr gefährlichster parteiinterner Gegner andere Wege und ist ihnen dabei ebenbürdig. Als Präsident der Jungfreisinnigen und Nummer 10 auf FDP Liste will er mittels sozialer Medien jeden tausendsten Zürcher für sein Komitee gewinnen und so total 941 Wähler mobilisieren.

Ein Abwenden von den Printmedien birgt aber auch eine neue Gefahrendimension. Ob die Schweizer Politik die erhöhte Verbreitungschance von provokativem Inhalt im Internet nicht unterschätzt, muss sich erst noch weisen. Auch müssen die rasant steigenden Kosten, welche mit einer Social Media Kampagne einhergehen berücksichtigt werden. Content im Internet verlangt Kontinuität, Präsenz und Betreuung, wie sie die Printmedien nicht kennen. Daraus ergeben sich massive Personal- und Zusatzkosten, besonders für Parteien wie die SP und die SVP, welche die nationalen Parlamentswahlen mit Plakat- und virtueller Werbung bestreiten.

Kommunikation im Wahlkampf, die nicht die Berichterstattung dominiert, hat seine Wirkung verfehlt. 2019 gilt dies für Wahlkampfkommunikation, die auf sozialen Medien nicht greift genauso. Eine fortschrittliche, aufgeschlossene Kommunikation bewegt sich weg vom Wahlplakat. Die Ideale dominiert aber Newsspalten vom Print bis zum Klick.