Krisensommer für die SBB I.

Es ist ein Krisensommer für die SBB. Nach einem problemgeladenen Einsatz des Pannenzugs FV Dosto, Personalmangel und einer Vielzahl erheblicher Verspätungen kulminieren die negativen Schlagzeilen mit dem tragischen Tod eines Zugbegleiters. Die Konzernleitung kommuniziert wenig proaktiv. Erstmals zeigt sich die Politik besorgt um das konzessionierte Unternehmen.

Sicherheitsmängel sorgen für tragischen Todesfall

Am 4. August verstirbt in Baden (AG) ein Zugbegleiter, nachdem er von einer Zugtür mit kaputtem Einklemmschutz mitgerissen wird. Beim defekten Rollmaterial handelt es sich um den Einheitswagen IV. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SusT) stellte in ihren Unfalluntersuchungen zwei Mängel an der Zugtür fest und empfiehlt darauf basierend Sofortmassnahmen. Die SBB reagierte mit einer Task Force, welche 250 Exemplare des betroffenen Wagentyps, rund 1000 Türen, untersuchen. Über 20 Defekte wurden festgestellt.

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) verlangt mehr. Damit ein Fahrzeug im Verkehr bleiben darf, habe die SBB eine Garantie vorzuweisen, dass Probleme erkannt und behoben wurden. Die SBB lehnte den Vorschlag ab. Dazu bestehe gemäss Untersuchungsbericht der SusT keine Notwendigkeit. 493 Exemplare des Wagentyps IV sind bei der SBB derzeit im Einsatz. Eine Ausserbetriebnahme wäre folgeschwer für die Kontinuität des Bahnverkehrs. Die SBB bekräftigt aber gegenüber der NZZ, sie ergreife, wenn nötig, «unabhängig von den Auswirkungen auf den Betrieb» Massnahmen.

Krisenkommunikation

Die vergangenen Wochen kommunizierte die SBB erst in Drucksituationen proaktiv. Das Auslassen von Haltestellen, um Sommerverspätungen wett zu machen, wurde beispielsweise durch Medien, nicht die SBB selbst publik. Es dauerte drei Tage, bis der Tod des Zugbegleiters der Öffentlichkeit kommuniziert wurde. Auch gelangte erst inmitten der momentanen Krise an die Medien, dass seit 2014 schon 86 Passagiere und zehn Mitarbeiter von Türen eingeklemmt und zwei Reisende schwer verletzt wurden. Chef Andreas Meyer verliert an Glaubwürdigkeit, wenn er parallel dazu beteuert es bestehe keine Gefahr für Passagiere. Durch diese lethargische Kommunikationsweise begünstigt das Bahnunternehmen nicht nur Spekulation, sondern ruft auch Misstrauen bei den Anspruchsgruppen hervor.

Auch an der Pressekonferenz vom Freitag, 30. August, gelingt Chef Andreas Meyer proaktives Mitteilen nicht. Gefragt wieviel denn die Reparationszahlungen kosten werden, antwortet er wie der Sonntagsblick berichtete: «Uns interessiert nur die Sicherheit. Über die Kosten haben wir noch gar nicht gesprochen». Kurz darauf ergänzte der Leiter des Personenverkehrs, Toni Häne, es handle sind um 20 bis 30 Millionen. Andreas Meyers PR-Floskel wird offensichtlich. Erneut misslingt es Meyer bekannte Informationen sorgfältig an die Öffentlichkeit zu bringen. Mehr Kommunikation aus den Operations und weniger aus dem Führungsstand wären förderlich.

Zudem begibt sich Meyer im Umgang mit den Gewerkschaften auf heikles Terrain. Noch vor der Beerdigung des Verunfallten forderten Gewerkschaften Gewinnbeteiligungen für das Personal und kritisiert die Sicherheitsbemühungen der SBB. Gegenüber dem «Sonntags-Blick» mutmasste Andreas Meyer solche Forderungen stammen aus einem Schockzustand, ansonsten wäre das «schlicht schlechter Stil». Diese Implikation die Gewerkschaften nutzen die Krisenlage um Eigeninteressen voranzutreiben, schiebt einen tiefen Keil zwischen Arbeitspersonal und Management.

VR-Präsidentin Monika Ribar drückte sich vor Interviews zum Unfall unter dem Vorwand die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen stehe bevor. Für ein konzessioniertes Unternehmen unbedenklich, man erinnere sich: Die SBB ist nicht börsennotiert. Die Priorisierung eines Marktwerts unter den gegebenen Umständen ist bestenfalls kommunikativ ungeschickt, schlimmstenfalls ein Todesstoss für die öffentliche Auffassung der Unternehmensethik.

Nur einer kommuniziert übereilig und zwar Linus Loser (Leiter Bahnproduktion) als er noch während Ermittlungen der SEV die Mitarbeiter schult, die Türen seien nur von innen zu schliessen. Damit impliziert er voreilig die Mitschuld des Verunfallten, sehr zu Unfreuden der Gewerkschaften. Kritisch angesichts des späteren Untersuchungsberichts, der die SBB aufgrund mangelnden Unterhaltsarbeit verantwortlich macht.

Politischer Druck steigt

Die Statements der SBB scheinen vor allem vom eigentlichen Problem abzulenken. Die derzeitige Krise zeugt von der Unfähigkeit Effizienzforderungen nachzukommen. Beschleunigung der Prozesse führt nicht nur zu strukturellen und personellen Umbrüchen, sondern auch qualitativen Mängeln in der Unterhaltsarbeit. Nicht zuletzt zeugt die Auftragsvergabe nach Deutschland für die Sanierungsarbeiten der betroffenen IV-Wagons von Personalmangel und einer Überlastung im Unterhalt.

Gerade dieses erstmalige Outsourcing von Unterhaltsarbeiten ins Ausland wird von der Politik kritisch beäugt. Die SBB ist der Schweizer Wirtschaft als staatsnaher Betrieb verpflichtet. Erstmals wird die Führung hinterfragt, was sich nicht zuletzt beim Besuch in der ständerätlichen Verkehrskommission zeigte. Zwar sieht das Verkehrsdepartement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Dennoch muss die SBB im September erneut, dieses Mal der Verkehrskommission des Nationalrates, vorstellig werden.

Genau wie im Bahnverkehr pünktlich verkehrt, muss in der Krise pünktlich kommuniziert werden. Nur so kann die Sicherheitsverantwortung gegenüber der Schweizer Bürger und Bürgerinnen als SBB-Kunden und nicht zuletzt Eigentümer auch glaubwürdig gemacht werden.