Manipulation von Forschungsdaten bei Novartis

Die Novartis sieht sich erneut mit Negativschlagzeilen konfrontiert. Untersuchungen der Food and Drug Administration (FDA) zur Manipulation von Forschungsdaten rücken den Schweizer Pharmakonzern in schlechtes Licht. An Glaubwürdigkeit verliert dabei einmal mehr ihre Compliance, sowie der von CEO Vasant Narasimhan bei Amtsantritt angekündigte Kulturwechsel.

Betrugsfall in Forschung und Entwicklung

Avexis als Tochtergesellschaft von Novartis manipulierte Forschungsdaten von Tierversuchen beim Zulassungsgesuch einer neuen Gentherapie. Dafür droht dem Schweizer Unternehmen straf- und zivilrechtliche Verfolgung. Bei der Gentherapie handelt es sich um Zolgesma, mit Kosten von 2.1 Mio. pro Injektion weltweit das teuerste Medikament. Es wirkt als einmalige Verabreichung gegen spinale Muskelatrophie und ist eine der wenigen Gentherapien, die bisher die Hürde zur Zulassung in den US-Markt überwunden hat.

Gestraft wird Novartis als Marktführer möglicherweise mit hohen Bussen, sicherlich aber mit Skepsis aus der Bevölkerung. Das wiederholte Vorkommen von Bestechung und Manipulation in gewissen Pharmaunternehmen wie Novartis und deren Fortbestehen suggerieren, dass sich dubiose Handlungsnormen in dem Sektor festfahren. Novartis fehlenden Erklärungen wie oder weshalb es überhaupt zur Manipulation kam, stimmt die Öffentlichkeit gegenüber der ganzen Pharmaindustrie weiter misstrauisch.

Rückfall in betrügerische Muster

Die Zulassung von Zolegma in den USA erfolgte am 24. Mai 2019 durch die FDA. Vier Tage danach, am 28. Mai beichtete die Novartis den Betrug im Zulassungsgesuch. Untersuchungen der FDA ergeben, dass die Manipulation firmenintern bereits seit dem 14. März bekannt war. Vorwürfe lehnt der CEO Vasant Narasimhan an einer Telekonferenz ab, und beteuert sie «haben versucht alles richtig zu machen». Das mangelnde Eingreifen von Novartis trotz Kenntnis zeugt aber von Unfähigkeit Kontrolle über das Tochterunternehmen Avexis auszuführen.

Schnell reagiert Novartis einzig im Personalwechsel. Bereits am 5. August tritt ein neuer Forschungschef, Page Bouchard, sein Amt an. Indem die bisherigen Forschungsverantwortlichen Allan Kaspar und Brian Kaspar bereits seit anfangs Mai freigestellt sind, versucht Novartis den Reputationsschaden zu begrenzen.

Der Ruf leidet

Das späte Eintreffen des Schuldbekenntnisses erinnert leider an die krisendurchzogenen letzten Jahren der Novartis. Nach den US-Bestechungsgeldern und Datenmanipulationen in Südkorea seiner Vorgänger ist Narasimhan bemüht das Vertrauen der Gesellschaft zurückzugewinnen. Die Schwere dieses ersten Negativvorfalls unter seiner Leitung lässt allerdings stark an seinem Versprechen eines Kulturwechsel bei Novartis zweifeln.

Um den Umsatz muss sich Novartis kaum fürchten. Das betroffene Medikament bleibt auf dem Markt, die Sicherheit für Konsumenten sei gemäss Untersuchungen der FDA trotz Manipulation von Forschungsdaten unbeeinträchtigt. Auch im Halbjahresbericht vom 19. Juli wird Zolgesma als «bahnbrechendes Medikament» und als «potenzieller Blockbuster» hervorgehoben. Bei Letzteren handelt es sich in der Pharmaindustrie um Medikamente, die einen Umsatz von einer Milliarde pro Jahr übersteigen.

Aber, der Ruf leidet. Damit ist auch Novartis Ausganglange in der hochgeladenen Diskussion um Medikamentenkosten negativ beeinträchtigt. Gemäss Berichten der NZZ habe «das Vertrauen zwischen den Kostenträgern und den Medikamentenherstellern einen Tiefpunkt erreicht». Besonders Gentherapien sprengen die bisher bekannten Kostendimensionen im Gesundheitswesen. Pharmakonzerne rechtfertigen diese mit der hohen Wirksamkeit. Die Bedienung von kleineren Patientengruppen sei zudem in der Entwicklung teurer.

In einer Zeit wo Krankenkassen und Patienten unter den vehement zunehmenden Gesundheitskosten leiden hat Novartis mit dem Manipulationsskandal ihr Produkte mit Unsicherheit konnotiert. Dem von CEO Vasant Narasimhan formulierten Ziel führender Anbieter in Gen- und Zelltherapien zu werden, dürfte damit so mancher Stein in den Weg gelegt worden sein.